Erst vor zwei Jahren ist Sine Buthelezi unter die Läuferinnen gegangen. Am Anfang eigentlich nur, weil sie ihrem Bruder Konkurrenz machen wollte. Doch dann hat Sine festgestellt: Mit ihren Läufen kann sie so richtig was bewegen.

Sine Buthelzi (gesprochen: Sne, vollständig: Sinenhlanhla) ist in einem Township in Südafrika geboren und aufgewachsen. Aktuell macht sie ihren Master in Medienwirtschaft an der Deutsche Welle Akademie in Bonn. Und da hat sie auch mit dem Laufen angefangen. Mitten im deutschen Winter. Das ist selbst für diejenigen unter uns eine Herausforderung, die hier geboren und aufgewachsen sind. Für Sine war die Umstellung aber noch ein bisschen größer:

„Ich muss sagen, besonders hier in Deutschland, das war gar nicht einfach. Ich bin aus Südafrika und das Wetter ist immer so zwischen 28 oder 30 Grad. Und dann hab ich für meinen Marathon trainiert und da hatten wir so Minusgrade und so …“

– Sine Buthelezi –

Aber Sine hatte ein Ziel, das größer war als einfach nur einen Marathon zu laufen. Sine wollte mit ihrem Marathon Geld sammeln. Für die Kinder in ihrem Township. Denn Sine weiß nur zu gut um die teilweise dort herrschende Armut. Es fehlt an allem möglichen. Aber wo anfangen? Weil Sines Mutter Lehrerin ist, fallen ihr als erstes Bücher ein. Ohne Bücher keine Bildung. Also läuft Sine ihren ersten Marathon für Bücher – und damit für bessere Bildungsmöglichkeiten für die Kinder in ihrem Township. Am Ende kann sie mit dem gesammelten Geld 4.000 Bücher spenden.

In diesem Jahr hat sich Sine was Neues ausgedacht: Sie hat 100 for Mandela ins Leben gerufen. Zum 100. Geburtstag von Nelson Mandela will sie 100 Läufer:innen weltweit für ihr Projekt gewinnen. Gemeinsam wollen sie für Spenden laufen, die an das Projekt Caring 4 Girls gehen. Das Projekt, das von der Nelson Mandela Stiftung unterstützt wird, stellt Binden für Schülerinnen bereit.

„Wenn du manche Sachen selber erlebt hast, dann fällt es dir ein bisschen leichter. Das Problem mit den Binden, das kenne ich auch selber von Freunden.“

– Sine Buthelezi –

Vier Marathons und etliche kleinere Läufe hat Sine in diesem Jahr schon für ihr Projekt absolviert. Aktuell stehen etwas mehr als 6.000 Euro auf der Projektseite. Die werden aber nur ausgezahlt, wenn Sine auch ihren letzten Lauf in diesem Jahr schafft:

„Ich lauf auch nur so viel, weil ich dem Projekt versprochen habe, dass ich am Ende einen Ultramarathon laufe. Und das ganze Geld, das wir gesammelt haben, bekommt Caring 4 girls nur, wenn ich es schaffe, am 4. November 2018 die 50 Kilometer zu laufen.“

– Sine Buthelezi –

Menstruation ist keine Entscheidung

Gerade ihr diesjähriges Projekt ist Sine sehr wichtig. Dabei geht es ihr nicht einfach nur darum, Geld zu sammeln und zu spenden. Sie will nachhaltig auf die Probleme von jungen Frauen in Südafrika aufmerksam machen. Denn im Township aus dem Sine kommt, heißt Menstruation für junge Frauen, dass sie in dieser Zeit schlicht nicht zur Schule gehen können, weil sie sich weder Binden noch Tampons leisten können.

„Du entscheidest ja nicht, ich bekomme meine Tage oder nicht. Das fand ich ein bisschen unfair.“

– Sine Buthelezi –

Die Folge: Um überhaupt das Haus verlassen zu können, nutzen Frauen alte Lumpen, Zeitungspapier oder auch Binden einfach mehrfach. Das führt nicht selten zu Infektionen im Genitalbereich mit schwerwiegenden Folgen. Dabei ist das Problem nicht mal, dass keine Binden zur Verfügung stehen. Aber angesichts der herrschenden Armut sind Hygieneartikel für Frauen schlicht zu teuer. Wenn eine Familie sich entscheiden muss, ob sie Nahrung kauft oder Binden, gewinnt ganz klar der Magen, sagt Sine.

Das Projekt Caring 4 girls sorgt dafür, dass die jungen Frauen in Sines Township kostenlos mit Hygieneartikeln versorgt werden können. Allerdings reichen die Spenden nicht für eine flächendeckende Versorgung. Also musste Sine sich entscheiden, wie das Geld, das sie sammelt und für dessen sinnvolle Verwendung sie sich entsprechend verantwortlich fühlt, am besten eingesetzt werden kann. Deshalb hat sie sich zusammen mit der Organisation dafür entschieden, vor allem Mädchen im letzten Schuljahr zu unterstützen.

„Es ist ganz wichtig, dass sie dieses letzte Schuljahr nicht verpassen. Denn da spielen die Noten eine wichtige Rolle, dass man einen Uni-Platz bekommt oder sich bewerben kann.“

– Sine Buthelezi –

500 junge Frauen können so in ihrem letzten Schuljahr unterstützt werden. Aber Caring 4 girls verteilt nicht einfach nur Binden. Sine war es bei der Auswahl der Organisation vor allem wichtig, dass nachhaltig gearbeitet wird. Im Fall von Caring 4 girls heißt das: Die Mitarbeiter:innen besuchen die Schulen vier Mal im Jahr und verteilen die Binden immer für die nächsten drei Monate. So sind sie ansprechbar und können nachverfolgen, wie die jungen Frauen das Angebot nutzen.

Mädchen aus Sines Township in Südafrika posieren mit Binden-Packungen.

Binden kaufen sollte so normal sein, wie Milch kaufen, findet Sine. © Caring 4 girls

Damit sich die Jungs gegenüber den Mädchen nicht zurückgesetzt fühlen, gibt es gemeinsamen Aufklärungsunterricht. So lernen sie zusammen mit den Mädchen, wie der weibliche Körper funktioniert und was es bedeutet, wenn Frauen ihre Tage bekommen. Denn es geht auch darum, Tabus zu brechen, Vorurteile abzubauen und die Scham zu überwinden, die viele junge Frauen erleben, wenn die Menstruation einsetzt.

„Binden kaufen sollte so normal sein, wie Milch kaufen.“

– Sine Buthelezi –

So vielen jungen Frauen mit ein paar Marathonläufen helfen zu können, gibt Sine eine unglaubliche Motivation, erzählt sie. Wenn ihr Körper nicht mehr will, erinnert sie sich immer wieder an die vielen glücklichen Kinderaugen, die ihr nach ihrer ersten Spendenaktion entgegengestrahlt haben. Das gibt ihr die Energie, um weiterzumachen und ihr Ziel zu erreichen.

Als ich sie Frage, ob sie sowas wie eine Heldin ist in ihrem Township, lacht sie verlegen. Aber ganz ehrlich: Für mich ist Sine das jetzt schon. Ich selber hab Sport studiert und bin nur einen einzigen Halbmarathon in meinem Leben gelaufen. Und hab mir danach geschworen: Nie wieder. Viel zu anstrengend. Allein die sportliche Leistung von Sine nötigt mir einen riesen Respekt ab. Aber dass sie damit auch noch so viel mehr bewegt als sich selber, macht sie in meinen Augen auf jeden Fall zu Heldin. Von daher: Go, Sine, go!